[REZENSION] The Girl Before - JP. Delaney



 SIE WAR WIE DU. UND JETZT IST SIE TOT.


Tatsächlich fällt die Inhaltsangabe diesmal äußerst knapp aus, sorry dafür. Oder auch nicht. Eigentlich ist sie obligatorisch, doch bei diesem Buch verraten schon wenige Sätze zu viel. Deshalb würde ich mir wünschen, dass Ihr Euch einfach überraschen lasst.

Vom ersten Leseeindruck an war dieses Buch anders – oder wie der bekannte Autor der Jack Reacher Romane Lee Child sagt: "Gerissen, überwältigend und wie nichts, was Sie je gelesen haben". Ohja, da stimme ich zu. Auch ich hatte anfangs eine hohe, geradezu kribbelnde Erwartungshaltung. Das Ganze beginnt mit einem Zitat von Freud und der Forderung "Liste alle Dinge auf, die in deinem Leben unverzichtbar sind." Was das zu bedeuten hat, erfahren wir natürlich im Verlaufe des Buches, allerdings finde ich es mehr als erfrischend, dass nicht direkt mit der "Geschichte" begonnen wird, sondern der Leser automatisch Teil von ihr wird. 

Anhänger des Minimalismus werden jetzt bestätigend nicken und selbst weniger fokussierte Menschen werden sich fragen: "Was brauche ich wirklich?" Manchmal stürzt uns diese Frage sogar in eine kleine Lebenskrise. Und seid Euch sicher, in diesem Buch warten noch so einige, die das Potential dazu haben.

Neben diesen Fragen an den Leser und die Protagonisten gibt es noch eine weitere Besonderheit in der Struktur: Ein damals-heute Zeitverhältnis, genauer gesagt eine Analepse in das Leben einer Person, Kapitel für Kapitel. Das ist zwar ungewöhnlich, aber auch nicht SO ungewöhnlich. Ehrlich gesagt stört es mich, dass es bei der wörtlichen Rede in der Vergangenheit keine Anführungszeichen gibt, aber das ist wahrscheinlich ein wenig pedantisch. Doch wenn wir schon einmal dabei sind, muss ich einfach den Rechtschreibfehler auf Seite 184 erwähnen. Lieber Autor, lieber Verlag, schaut doch nochmal nach.

Dafür wurde mein kunsthistorisches Herz mit Anspielungen auf Mies van der Rohe und Le Corbusier erfreut. Richtig geraten – entsprechend dieser beiden Künstlerpersönlichkeiten spielt auch Architektur in diesem Buch eine wichtige Rolle. In der Tat handelt es sich um ein wirklich außergewöhnliches Gebäude, welches mich mehr als einmal erschaudern ließ. Die Frage, ob ich mir vorstellen kann, dort zu leben, kann ich nach Abschluss der Lektüre definitiv mit NEIN beantworten. Nach dem ersten Drittel bekam ich richtiges Herzklopfen und irgendwie war die Atmosphäre von Gefahr allgegenwärtig.

Zwei Frauen, zwei Schicksalsschläge, ein Mann. 

Wobei ich sagen muss, noch nie einen so unverblümten Mann "kennengelernt" zu haben; nicht einmal Christian Grey. Genauso stark wie die Sympathie, die man für Charaktere empfinden kann, kann die Abneigung sein, und ich sage Euch, bei diesem Mann war sie seeeehr groß. Ähnlich verhält es sich mit den Frauen: Anfangs waren sie noch sympathisch, aber je mehr Machenschaften aufgedeckt wurden, desto abstoßender wirken sie.

Interessant ist also, dass es in diesem Buch weder einen "Held" noch einen sympathietragenden Charakter gibt. Zudem verschwimmen die Ereignisse aus Gegenwart und Vergangenheit immer mehr, sodass aus den beiden Frauen zunehmend eine wird.





Ein gelungenes Buch, dessen Ende zwar nicht so außergewöhnlich und psychopathisch ist, wie es erwarten lässt, aber immer wieder überraschende Wendungen zu bieten hat. Außerdem wüsste ich dann nicht, dass es einen "teuren Blondton" gibt. *grins*


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